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22.06.2024 in Hotel Ambassador, Seftigenstrasse 99, 3007 Bern Zahnkurs 2

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29.08.2024 in Hotel Ambassador, Seftigenstrasse 99, 3007 Bern Neuraltherapie-Kurs 4

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Präklinische Forschung und pathophysiologische Grundlagen

Geschichte

Die Entdeckung der Gebrüder Huneke

Dank eines Zufalls und dessen genialer Interpretation entdeckten die Brüder Ferdinand und Walter Huneke 1925 die therapeutische Wirkung der Lokalanästhetika. Sie entwickelten danach eine Methode zur lokalen- und Segment-Therapie. 1940 wurde die übersegmentale Wirkung von Herden und Störfeldern entdeckt. Daraufhin gelang es, oft jahrelange, chronische Leiden, insbesondere Schmerzzustände und Autoimmunerkrankungen zu bessern oder sogar auszuheilen.

Neuronale Vernetzung des Nervensystems:

Egbert Welker/Graham Knott, INI/ETH Zürich, Histologischer Schnitt ZNS

Die Relationspathologie von Ricker

Rickers Tierexperimente zeigten als wichtigste Eigenschaft des vegetativen Nervensystems die Engrammierbarkeit. Eine auch weit zurückliegende pathologische Reizung kann gespeichert werden. Erneute physiologische Reize bewirken nun eine pathologische Antwort. Dies ist auch eine der Grundlagen für das Störfeldgeschehen. Weiter konnte Ricker durch abgestufte langdauernde Reizung des perivasalen Sympathikus beispielsweise Hyperplasien oder Nekrosen parenchymatöser Gewebe erreichen. Ein entzündungsverursachender Reiz verschiedenster Art setzt primär am Sympathikus als Reizübermittler an. Die logische Therapie (als Umsetzung der Resultate Rickers) bezüglich Schmerz und Entzündung ist somit z.B. bei einer akuten Pankreatitis die Regulation über den Sympathikus (mittels Lokalanästhetikum am Ganglion coeliacum): Die Schmerzfasern des Pankreas sind sympathische Afferenzen und befinden sich bei einer Entzündung in einem hyperaktiven Zustand. Deren Normalisierung hemmt auch die Entzündung über vasomotorische Vorgänge. Zudem wird weniger Substanz P aus den sympathischen Nervenendigungen ausgeschüttet.

Die Neuralpathologie von Speranski

Vor Jahrzehnten hat Speranski in breit angelegten Tierversuchen artifiziell so genannte Störfelder gesetzt. Speranski konnte tierexperimentell zeigen, dass Störfelder über jede segmentale Ordnung hinaus wirken (Parallelen zur Neuraltherapie). Somit darf angenommen werden (bestätigt durch vielfache klinische Beobachtung in neuraltherapeutischen Praxen), dass Störfelder (wie z.B. beherdete Zähne, bestimmte Narben usw.) im nozizeptiven und sympathischen System zu Sensibilisierungsvorgängen führen, welche sich an jeder Stelle und in jedem Organsystem auswirken können. Bei seinen ausgedehnten Tierexperimenten stiess Speranski auf Phänomene, welche ihm zeigten, dass das Nervensystem nur als Ganzheit betrachtet werden kann und dass gleichartige pathophysiologische Veränderungen (Störfelder) sowohl im zentralen als auch im peripheren Teil des Systems individuelle Auswirkungen zeigen, je nachdem, welche Systeme vorbelastet sind.

Speranski prägte den Satz, basierend auf seinen Experimenten: „Krankheit ist Reizbeantwortung des Organismus unter dem führenden Einfluss des Nervensystems“. Speranski zeigte also experimentell die Ganzheitlichkeit und Individualität der Reaktionen bei gleichen Versuchsanordnungen auf. Neue Wissenschaftstheorien (Moderne Physik) tragen der Ganzheitlichkeit, Komplexität und Individualität wieder Rechnung, ohne dass dies primär gewollt war.

Lichtmikroskop, schwarz-weiss: Darstellung einer vielfach verzeigten Nervenzelle im ZNS, sie kann bis zu 10.000 Synapsen haben. Ca 100 Milliarden von Nervenzellen sind untereinander vernetzt.

Elektronenmikroskop: Dendrit,grün, 2 Mikron, zeigt Synapsen (Verbindungstellen) mit einer zweiten Nervenzelle, Axon, blau; so ergibt sich eine Zahl von ca einer Trillion Synapsen, die untereinander kommunizieren.

Prof. Kevan Martin, INI/ETH Zürich 2007

Themodynamische Aspekte

Lebende Organismen sind durch elektromagnetische Wechselwirkung dominiert. Unter anderem werden auch molekulare Vorgänge auf diese Weise gesteuert. Diese vernetzten Vorgänge sind wichtig für die Prozesse der Selbstorganisation im Organismus. Die Grundlage der Selbstorganisation ist die Nichtgleichgewichts-Thermodynamik energetisch offener Systeme. Sie ist an die Nichtlinearität gebunden, welche ein wesentliches Merkmal der mathematischen Chaostheorie ist.

Lebewesen sind offene Systeme, welche mit der Umwelt Energie und Materie austauschen. Damit sich bestimme Ordnungszustände selbst bilden können, müssen sie sich weit weg vom thermodynamischen Gleichgewicht befinden. Die Vorgänge sind irreversibel: niemals kehren die Systeme in einen alten Ordnungszustand zurück. Stets organisieren sie sich in Abhängigkeit von äusseren und inneren Impulsen zu neuen Ordnungszuständen. Solche Systeme müssen als Ganzheit handeln können, wie der Nobelpreisträger Prigogine in seinen Arbeiten aufzeigte.

Auch die Annahme, dass es keine isolierten Vorgänge im Nervensystem gibt (Pavlov, Ricker, Haschke, Speranski), fügt sich in diesen Modellen ein.

Die Erkenntnisse bezüglich der Experimente Prigogines und Speranskis sowie weiterer neurophysiologischer und neuroanatomischer Zusammenhänge bilden das Grundgerüst für eine wissenschaftliche Einordnung des übersegmentalen Störfeldgeschehens in der Neuraltherapie nach Huneke.

Mit der Neuraltherapie nach Huneke wird in das nichtlineare, komplexe System ein Impuls gegeben (oder eine pathologische Belastung unterbrochen). Anschliessend kann sich das System neu organisieren, zum Beispiel in Richtung besserer Zirkulation, Retraktion verspannter Muskulatur usw. Diese Zusammenhänge verdeutlichen ebenfalls, dass kein Lokalanästhetikum von langer Wirkdauer verwendet werden muss, da nur die kurzzeitige Unterbrechung der pathologischen Belastung nötig ist. Die anschliessende Langzeitwirkung beruht dann auf der Selbstorganisation des Organismus (insbesondere des Nervensystems) und nicht mehr auf der Wirkung des Lokalanästhetikums.

Das System der Grundregulation

Die Grundsubstanz (= Matrix) besteht aus einem Netzwerk von hochpolymeren Zucker-Protein-Komplexen. Darin befinden sich Wasser und andere Komponenten teilweise in hochstrukturierter, zum Teil sogar in fraktaler Anordnung. Nach Pischinger und Heine ist das Grundsystem definiert als Grundsubstanz plus zelluläre, humorale und nervöse Komponenten. Auch hier gelten die Gesetze der nichtlinearen Thermodynamik.

Grundsystem = Extrazellulärraum

Der Stofftransport zwischen Kapillaren und Organzellen geht über das Grundsystem, welches als Molekularsieb wirkt und je nach Anordnung, Porengrösse und elektrischer Ladung Substanzen passieren lässt.

Das Grundsystem durchzieht den ganzen Extrazellulärraum. Es kann als der „peripherste“ Teil des autonomen Nervensystems angesehen werden. Jede Stelle des Organismus ist über das Grundsystem (und den Sympathikus) mit jeder anderen Stelle verbunden („ubiquitäre Synapse“). Es besteht in diesem System eine eigenständige Informationsleitung und -speicherung.

Das Grundsystem kann als „unterste Stufe“ des autonomen Nervensystems betrachtet werden, da das autonome Nervensystem sich hier in der Peripherie netzförmig, endigungslos ausbreitet und nahtlos ins Grundsystem integriert wird. Nach Van der Zypen kann es „an allen Stellen des vegetativen Maschenwerkes blitzartig zur Übertragung eines Reizes kommen“. Auch dies ist zum Verstehen der neuraltherapeutischen Phänomene (insbesondere des sogenannten Sekundenphänomens nach Huneke) ein wichtiger Aspekt.

Nicht nur strukturell, sondern auch funktionell sind Nervensystem und Grundsystem (Immunsystem) miteinander vernetzt: So zeigt Tracey in einer neuen Arbeit im „Nature“, dass das autonome Nervensystem reflektorisch die Immunantwort steuert und dass eine Kommunikation zwischen Immun- und Nervensystem besteht. Dies ist nicht nur eine Bestätigung der Experimente Speranskis, Rickers, Pischingers, Siegens u. a., sondern unterstützt auch den Therapieansatz über das autonome Nervensystem (Neuraltherapie, insbesondere Störfelder).

Ein normal funktionierendes Grundsystem reagiert auf verschiedene Reize (physikalische, chemische, infektiöse oder psychische Reize) ganzheitlich und unspezifisch. Erst die nachgeschalteten parenchymatösen Organe zeigen bei langdauernden Reizen spezifische Veränderungen. Deshalb ist bei vielen Erkrankungen ein unspezifischer Therapieansatz aus pathophysiologischer Sicht logisch, damit sich die Systeme wieder zur physiologischen Mitte orientieren können (Prinzip der Selbstorganisation).

Pathophysiologie des Schmerzes und Neuraltherapie

Nozizeptive Vorgänge, unabhängig davon, ob diese nur unterschwellig ablaufen oder als Schmerz empfunden werden, sind ohne Mitbeteiligung des Sympathikus nicht möglich.

Endbäumchen eines terminalen Axon in der Haut

Das terminale Axon endet als sensibles Endbäumchen in Haut (Bild: Nervenfasern sind hellgrün, kollagene Fasern sind rot gefärbt), inneren Organen und Bewegungsapparat. Der Zellkörper des Nozizeptors liegt im Spinalganglion.

Laboratory of Dr. William R.Kennedy MD, University of Minnesota

Sie lösen immer eine Reflexantwort aus. Diese kommt über Reflexbahnen zustande: Kuti-viszeral, viszero-kutan, viszero-somatomotorisch usw. Die vorwiegend sympathisch-vermittelte Reflexantwort zeigt Durchblutungsveränderungen, Hautturgorerhöhung, Hyperalgesie bestimmter Hautbezirke, Dysregulation des metamer zugehörigen Inneren Organs sowie eine Erhöhung des Muskeltonus. Nozizeptive Afferenzen aus all diesen Systemen (Haut, Muskulatur, Inneres Organ) konvergieren auf dieselbe Hinterhornzelle des Rückenmarkes. Die weitere Verschaltung erfolgt nun divergent: gleichzeitig über das Seitenhorn zum Sympathikus (und von diesem wiederum in alle drei Systeme: Inneres Organ, Bewegungsapparat und Haut) sowie über das Vorderhorn zur Skelettmuskulatur und zum Gehirn. So werden beispielsweise sympathische und somato-motorische Kerne immer gleichzeitig erregt. Gleichzeitig müssen wir uns vor Augen halten, dass die sympathischen Kerne für präganglionäre Neurone sich nur im mittleren Bereiche des Rückenmarkes (Seitenhorn) befinden, von hier aus jedoch den ganzen Körper, auch den Kopf, versorgen. So gibt es keine isolierte Segmentreflektorik und das Störfeldgeschehen wird nun verständlich.

Segmentreflektorik: Verschaltung von Haut, Muskulatur und inneren Organen

Im Schmerzgeschehen kommt ein Circulus vitiosus bereits durch die erwähnten segmentalen Verschaltungen zustande. Hauptvermittler ist der Sympathikus. Der Circulus vitiosus wird verstärkt, indem der Sympathikus unter pathologischen Bedingungen in der Peripherie auf nozizeptive Afferenzen schalten kann (sympathisch-afferente Kopplung). Ebenso kann der Sympathikus indirekt über vasomotorische Vorgänge und über direkte Ausschüttung von Substanz P eine Entzündung verursachen. Es kann sich eine periphere und zentrale Sensibilisierung (Neuroplastizität) ausbilden. Sympathisch-afferente Kopplung und neuroplastische Veränderungen bewirken eine zusätzliche, mehrfache Iteration im Circulus vitiosus des Schmerzgeschehens. Es geht somit darum, diesen Circulus vitiosus an mehreren Stellen mit Lokalanästhetika (Neuraltherapie) zu unterbrechen.

Die Indikationen der Neuraltherapie sind nicht nur Schmerzzustände – weitere pathophysiologische Aspekte sind im HTA-Bericht dargestellt.

Wirkmechanismen

In allen drei genannten Systemen (Haut, Muskulatur, Inneres Organ) liegen Angriffspunkte für die Neuraltherapie: Hautquaddeln, Trigger-Punkte, paravertebrale und prävertebrale Ganglien usw. Dadurch wird der erwähnte Circulus vitiosus (iterative Prozesse) schlagartig unterbrochen und die Systeme organisieren sich nun selbst zur physiologischen Mitte. Damit wird verständlich, dass das Lokalanästhetikum nun weit über die lokalanästhetische Wirkung hinaus wirkt, indem sich sogar Sensibilisierungsprozesse bei richtiger Anwendung der Methode wieder zurückbilden können. Kommt hinzu, dass die Neuraltherapie einen günstigen Einfluss auf die Hinterhorn-Eingangskontrolle (Melzack und Wall) hat, und dass pathologische Engramme im Sympathikus gelöscht werden, so dass die erneute (physiologische) Reizung keine pathologische Antwort mehr bewirkt. Weiteres zu den Wirkmechanismen, insbesondere auch das Störfeldgeschehen betreffend, findet sich im HTA-Bericht.

Hinterhorn-Eingangskontrolle (Melzack und Wall):

Durch aktivierende und hemmende Wirkungen von Nadelstick und Procain im Hinterhorn wird die Schmerzleitung gehemmt.

Prinzipien und Definitionen der Neuraltherapie

Die Neuraltherapie nach Huneke ist eine Injektionsbehandlung, welche Lokalanästhetika zur Diagnostik und Therapie nutzt. Die Lokalanästhesie ist nicht das eigentliche Ziel (ausser in der Diagnostik): Es werden gezielt Reize gesetzt und pathologische Belastungen unterbrochen (z.B. Circulus vitiosus im Schmerzgeschehen). Die Behandlungsmethode nutzt die regulatorischen Eigenschaften des autonomen Nervensystems auf zwei hauptsächlichen Ebenen: Zum einen über die Segmentreflektorik, zum anderen über das so genannte Störfeld, welches unabhängig von der segmentalen Zuordnung krankheitsauslösend oder –unterhaltend wirkt.

Die Neuraltherapie (und Diagnostik) gliedert sich somit in:

1. Lokale Therapie. (z.B. Infiltration von Trigger-Punkten) und Segment-Therapie (z.B. Quaddel-Therapie in den HEAD-Zonen, auch Einbezug sympathischer Ganglien, Nervenwurzeln, periphere Nerven usw. )

Hauptquaddel

Leber/Gallenblasensegment

2. Störfeld-Therapie. Ein Störfeld ist ein meist asymptomatischer, chronischer Reizzustand einer bestimmten Struktur (verschiedenster Lokalisation) des Organismus. Hiervon ausgehende Impulse können prinzipiell jedes andere System des Organismus beeinflussen, unabhängig von der segmentalen Zuordnung. Häufige Störfelder sind pathologische Veränderungen im Zahn-Kieferbereich, chronische (asymptomatische) Entzündungen im Tonsillen- oder im Nasennebenhöhlenbereich, bestimmte Narben usw.). Viele chronische Krankheiten sind störfeldbedingt, auch bei vielen chronischen Schmerzzuständen spielen Störfelder eine bedeutsame Rolle.

Der hauptsächliche morphologische Boden, auf welchem sich die Informations- und Regulationsvorgänge abspielen, ist die ubiquitär vorhandene extrazelluläre Matrix, das so genannte Grundsystem sowie der Sympathikus, welcher in jeden pathologischen Vorgang eingebunden ist. In der Peripherie laufen die vegetativen Nervenfasern als Netzwerk nahtlos in das Grundsystem (extrazelluläre Matrix) über. Der therapeutische Effekt überdauert in der Regel die Wirkdauer des Lokalanästhetikums bei weitem. Erklärungen hierfür bilden neurophysiologische Mechanismen sowie die Integration Moderner Physik in biologische Systeme (s. oben).

Die gezielte, kurzzeitige Ausschaltung irritierter und schmerzhafter Strukturen erlaubt zudem eine ausserordentlich präzise und kostengünstige Diagnostik und Differentialdiagnostik.

Die Indikationsbreite dieses Verfahrens liegt in einer Vielzahl akuter und chronischer funktioneller, entzündlicher und sogar degenerativer Erkrankungen, insbesondere bei Schmerzzuständen.

Die gezielte Suche und Therapie des Störfeldes in der Praxis zeigt auf, dass mit der „Diagnose“ bei chronischen Erkrankungen meist nur ein Symptom bezeichnet wird und nicht der Grund der Erkrankung (Ätiologie). Eine Migräne kann z.B. bedingt oder mitbedingt sein durch einen verlagerten Weisheitszahn oder durch eine Appendektomie-Narbe usw. („Zweitschlag“ nach dem Neurophysiologen Speranski, Wichtigkeit der Anamnese!). Einzelheiten siehe entsprechendes Kapitel im HTA-Bericht.

Typisches mögliches Störfeld: Zähne, z. B. apikale Ostitis

Injektionsarten: (diagnostisch und therapeutisch)

Hautquaddeln, subkutane und intramuskuläre Injektionen (Trigger-Punkte), Narben, intra- und periartikuläre Injektionen, intra- und perivasale Injektionen, präperitoneale und präperiostale Injektionen, Injektionen im Zahn-Kieferbereich (Testung), Injektionen im Rachen-/Halsbereich, Injektionen an Nerven, Injektionen im gynäkologischen und andrologischen Bereich, Injektionen an vegetative Ganglien und an den Grenzstrang.

Indikationen und Kontraindikationen

Indikationen:

Akute und chronische Schmerzzustände am Bewegungsapparat (z.B. Periarthropathien, Trigger-Punkte und pseudoradikuläre Syndrome, Iliosacralgelenksdysfunktion, Halswirbelsäulen-Schleudertrauma akut und chronisch, Radikuläre Reizsyndrome usw.), Kopfschmerzen (Migräne, Neuralgien, sog. atypische Gesichtsschmerzen usw.), Nierenkolik, Gallekolik, Darm-Motilitätsstörungen wie Colon irritabile, Reizblase, Pelvipathie unklarer Ätiologie, chronische Prostatitis, rezidivierende Epididymitis, Autoimmunerkrankungen (Störfelder), chronische Pharyngitis, Tinnitus, rezidivierende Sinusitis, sog. „vegetative Dystonie“, Schwindel, Morbus Menière, Neuronitis vestibularis, Durchblutungsstörungen verschiedenster Art wie peripher-arterielle Verschlusskrankheit, diabetische Gangrän, Morbus Raynaud, Morbus Sudeck, (CRPS I), Erfrierungen usw.

Die Indikationen sind im HTA-Bericht S. 55 nach Injektionsort und -art systematisch aufgelistet.

Allgemeine Kontraindikationen:

Allergie gegen Lokalanästhetika (sehr selten), tiefe Injektionen bei Gerinnungsstörungen oder Antikoagulation, alle eindeutigen, akuten chirurgischen Indikationen.

Selbstverständlich wird überall dort, wo die konventionelle Medizin zwingend indiziert ist und die bessere Möglichkeit darstellt, auf die Neuraltherapie verzichtet.

Material in der Neuraltherapie

Aus den pathophysiologischen Grundlagen geht hervor, dass lediglich Procain oder Lidocain sowie Spritze und Nadeln notwendig sind. Procain und Lidocain sind äusserst sichere Präparate, wie im entsprechenden Kapitel des HTA ausführlich dargelegt wird.

Neuraltherapeutisches Vorgehen

Eine gute Anamnese mit Gewichtung (sogenannter „Zweitschlag nach Speranski“) sowie eine präzise körperliche Untersuchung sind der Neuraltherapie voranzustellen. Gegebenfalls sind ergänzende Untersuchungen notwendig (Orthopan-Tomogramm bei Verdacht auf Herd-/Störfeldgeschehen im Zahn-/Kieferbereich).

Zur Identifikation schmerzverursachender oder funktionsgestörter Strukturen werden neuraltherapeutische, probatorische Injektionen durchgeführt (z.B. Intervertebralgelenke, Iliosakralgelenke, verschiedene Strukturen im Schulterbereich, Infiltrationen bei Neuralgien, Ganglion stellatum bei der Frage nach sympathisch unterhaltenem Schmerz, Ganglion pterygopalatinum im Anfall einer Sluder-Neuralgie usw.). Diese Methode ist immer mehr in konventionellen, diagnostischen Verfahren integriert und anerkannt (Rheumatologen, interventionelle Schmerztherapeuten). Ein Beispiel für die neuraltherapeutische Diagnostik ist das schlagartige Verschwinden von hartnäckigen Schmerzen und oft komplexen pseudoradikulären Syndromen nach Infiltration von myofascialen und anderen Trigger-Punkten mit Procain. Lässt sich durch eine Injektion die verursachende Struktur identifizieren, können durch dieses Vorgehen weitere aufwendige und teure diagnostische (apparative) Massnahmen eingespart werden.

Schulterschmerzen infolge Trigger-Punkten: z. B. in M. Trapezius oder M. levator scapulae

Therapeutisch erfolgt je nach Situation das Setzen von Quaddeln, Injektionen in Trigger-Punkte, an Gelenkkapseln, an Nerven, vegetative Ganglien usw. Es ist aus pathophysiologischen Gründen sinnvoll, je nach Situation bestimmte der genannten Injektionen zu kombinieren. Dadurch erfolgt eine schlagartige Unterbrechung des nichtlinearen, iterativen Prozesses (Circulus vitiosus) im Schmerzgeschehen oder bei funktionellen Störungen. Da die Reizsetzung und Unterbrechung an verschiedenen Stellen erfolgt, kann sich das System wieder selbst organisieren (regulieren) in Richtung Homöostase und Ökonomie. Je nach Reaktion des Organismus muss die Störfeld-Therapie im Anschluss erfolgen. So ist die Neuraltherapie nach Huneke weit mehr als eine loco-dolendi-Therapie. Sie ist ein – auch aus pathophysiologischer Sicht – logisches Konzept.

Einzelheiten und Beispiele sind ausführlich im HTA-Bericht dargestellt.

Einsatz der Neuraltherapie in konventionell-medizinischen Fachrichtungen

Rheumatologen, Orthopäden, Schmerztherapeuten in Praxen, Spitälern, Universitätsspitälern injizieren zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken Lokalanästhetika in und an verschiedene Strukturen: Beispielsweise im lumbosakralen Bereich zwecks Unterscheidung einer schmerzhaften Iliosakralgelenks-Dysfunktion versus Dysfunktion des Intervertebralgelenkes L5/S1, Injektion an die Nervenwurzeln, an Ganglien usw. Es wird dabei in der Regel die Tätigkeit beschrieben, beispielsweise „probatorische Injektion von Lokalanästhetika in das Intervertebralgelenk L5/S1.“ Dabei wird der Name Neuraltherapie oft nicht verwendet. So ist die diagnostische (und meist therapeutische) Arbeit mit Lokalanästhetika im lokal-segmentalen Bereich in der konventionellen Medizin und in der Neuraltherapie praktisch identisch. Das heisst nichts anderes, als dass die konventionellen Mediziner, welche die Injektionen beherrschen, Neuraltherapie im erwähnten Bereich betreiben und dass die Neuraltherapie im erwähnten Bereich konventionelle Medizin ist.

Für bestimmte Indikationen gibt es hier keine Alternative. So ist sie auch in der Rheumatologie, Orthopädie, Physikalischen Medizin, in Schmerzkliniken usw. nicht mehr wegzudenken. Da die Neuraltherapie nach Huneke darüber hinaus in therapieresistenten Fällen diagnostisch und therapeutisch weitere Möglichkeiten (Störfeld) besitzt, ist es notwendig, diesen Namen beizubehalten, damit das Konzept (sinnvolles Kombinieren von Injektionen gemäss Erfahrungswerten und neurophysiologischen Erkenntnissen) erhalten bleibt. Gerade deswegen erfolgen Patienten-Zuweisungen zur Neuraltherapie sogar auch von Rheumatologen, Orthopäden, Schmerztherapeuten, Universitätskliniken usw.

Quelle mit allen Literaturangaben: Health Technology Assessment, Neuraltherapie. Z.H. Bundesamt für Gesundheit (BAG), 2005. L. Fischer, H. Barop, S. Maxion-Bergmann.
www.bag.admin.ch/themen/krankenversicherung/00263/00264/04102/

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